(aus Briefen, die Rudolf Pilz im März und August 2010 an seine Enkeltochter Ronja verfasste) Mein Zeugnis habe ich schon in meiner Kindheit erlangt und es ist ständig gewachsen. Ich hab die Führung des himmlischen Vaters in meinem Leben immer gehabt. Ich kann meinen Eltern nicht genug danken, dass ich in meiner Kindheit von Ihnen gelernt habe, dass es einen Gott gibt und dass wir ihn im Gebet immer erreichen können. Meine Mutter hat vor dem Schlafengehen mit mir gebetet. Auch habe ich von ihr gelernt, dass Jesus Christus Gottes Sohn ist und auf dieser Erde war. Aus Liebe zu allen Menschen ist er am Kreuz für uns gestorben, damit wir Vergebung erlangen können, wenn wir von unseren Sünden umkehren. Heute erkenne ich, wie wichtig diese Belehrungen meiner Eltern für mich waren. Durch Sie habe ich die Verbindung zum Vater im Himmel nie abreißen lassen. Meine Eltern und Großeltern waren rechtschaffene Menschen und sie bleiben für mich ein ewiges Vorbild. Als ich 1942 als Soldat eingezogen wurde - es war Krieg - war ihre Sorge, ob sie mich wohl wieder sehen würden. Mutter sagte, bete jeden Tag zum lieben Gott, dass er dich beschütze. Ich bete auch jeden Tag für dich und deinen Bruder, dass ihr gesund wieder heim kommt. Bitte bete auch darum, dass du nicht in die Lage kommst, einen anderen Soldaten zu erschießen. Sie alle haben eine Mutter, die sich um ihren Jungen sorgt. Ich habe darum gebetet und bin nie in die Lage gekommen, einen anderen zu erschießen. Es ist ein wunderbares Gefühl für mich. Ich danke dem lieben Gott immer, dass er mich davor bewahrt hat. So kam ich eines Tages nach meiner Soldaten-Ausbildung 1942 nach Afrika und der Herr schützte mich jeden Tag oder hörte meine Gebete. Oster-Sonntag 1943, früh um 6:00 Uhr kam ich in englische Gefangenschaft. Es war ein neuer Anfang für mich und mein Leben hatte wieder einen Sinn. Danke, lieber Vater, dass ich weiterleben kann und auch meine Lieben wieder sehen werde. Die Gebete meiner Mutter haben meinen Bruder, den Hans und mich, nach sechs Jahren wieder zusammengebracht. 1947 wurde ich in der Nähe von Edinburgh in East Lothian als Kriegsgefangener entlassen. In meine Heimat konnte ich nicht mehr zurück, alle Deutschen wurden aus meiner Heimat (Sudetenland) vertrieben. Ich bekam keine Post mehr und auch meine Briefe erreichten meine Eltern nicht. So musste ich warten, bis ich auf Anfrage beim Roten Kreuz in Genf die Anschrift meiner Eltern erfuhr, die mein Vater dort angegeben hatte. Sie wohnten jetzt in Michelstadt. Auch hier wusste ich, dass Gott mir geholfen hatte, meine lieben Eltern zu finden. Es wurden nur die aus Gefangenschaft entlassen, die einen Brief ihrer Angehörigen vorlegen konnten wo sie wohnten. 1947, Einen Tag vor dem Muttertag, kam ich in Michelstadt an. Auch meine lieben Großeltern wohnten nun dort. Ich bin mir ganz sicher, dass der Herr so wollte, dass ich nach Michelstadt kam. Hier sollte ich die wiederhergestellte Kirche seines Sohnes kennen lernen. Es war ein Wunder. Noch bevor ich meine Mutter sah, lernte ich meine zukünftige Frau Anneliese kennen, und es war Liebe auf den ersten Blick. (mein Vater berichtete, dass in Abwesenheit seiner Mutter der Hausbesitzer und Kartoffelbauer Wind anordnete, dass seine Haushaltshilfe Anneliese Büchler dem zurückgekehrten Soldaten Bratkartoffeln zubereiten solle. Das war die erste Mahlzeit, die meine Mutter meinem Vater bereitete) Als meine liebe Mutter an diesem Tag vom Einkaufen zurück kam, konnte mich nichts mehr aufhalten, und ich schloss sie in meine Arme. Aber meine erste Frage war, wer das junge Mädchen sei, das bei Herrn Wind arbeitete. Ist sie seine Tochter? Die Antwort meiner Mutter war so wichtig für mich. Sie sagte, sie sei im Haushalt tätig. Meiner Mutter sagte ich dann, sie sei die Frau die ich heiraten werde. Ich war so glücklich. Es lief alles so wie der Herr das geplant hatte. Eines Tages ging ich mit ihr in die kleine Kirchen-Gemeinde, die aus vier Familien bestand und sich links vom Michelstädter Rathaus traf. Der erste Eindruck war gewaltig. Ich kannte ja nur die katholische Kirche. Hier war alles so schlicht und einfach ohne Prunk. Aber ich hatte hier so ein gläubiges Gefühl von diesen Menschen und ihren glaubensstarken Liedern,die sie sangen. Es war alles so einfach, doch voller Wahrheit. Heute weiß ich, dass es die Kirche des Vaters und seines Sohnes ist, und dass sie durch seinen Propheten und das Priestertum wie zu Christi Zeiten geführt wird. Ich weiß ohne jeden Zweifel, dass der Prophet Josef Smith damals als vierzehnjähriger Junge durch sein aufrichtiges Gebet vom Vater im Himmel all das bekam, um die Kirche wiederherzustellen. Alles zeigt uns, dass Gott alle seine Kinder liebt und uns den Weg zeigt, der wieder in seine Gegenwart führt. ——————————— Die Kirche des Herrn habe ich also in Michelstadt kennen gelernt, so wie der himmlische Vater es vorgesehen hatte. Aber ich untersuchte noch vier Jahre bis ich mich taufen ließ. Meine Mutter war der Ansicht, Sie hätte doch immer für ihre Buben gebetet, dass uns nichts geschehe und wir gesund wieder nachhause kämen, und Sie könne nicht verstehen, dass ich jetzt einer anderen Kirche beitreten wolle. Meiner lieben Mutter habe ich viel zu verdanken, dass mein Zeugnis in meiner Kindheit zu wachsen begann. Aber ich war mir bewusst, dass zu Christus Zeiten die Kirche in dieser so leicht zu verstehenden Wahrheit ins Leben gerufen worden war. Nun bin ich fast jeden Sonntag mit Anneliese in die Kirche, Aber ich wurde von keiner Seite bedrängt, mich der Kirche anzuschließen. Nach dem Krieg war es eine Zeit, wo viele Menschen arm waren und als Heimatvertriebene gehörten wir auch dazu. Meine Mutter ging wie viele andere auf die Dörfer und Ortschaften zu den Bauern, zum Beispiel nach Boxbrunn, und bettelte um Kartoffeln und Brot. Das habe ich 1947 noch selbst erlebt. Was war das für ein Segen, als ich meiner Mutter meinen Seesack mit Inhalt übergab, den ich aus der Gefangenschaft mitgebracht hatte. Nun zum Inhalt: bestehend aus 800 Zigaretten, vier viereckigen Keks-Dosen gefüllt mit Bohnenkaffee, mit schwarzem englischen Tee und mit Kakao. Es war für uns wie Weihnachten und Mutter war sehr glücklich, als sie die neue schöne amerikanische Stepp-Decke und den warmen blauen Mantel für meinen Vater sah, den er doch so dringend brauchte - und er passte! Wie kam ich zu diesen wertvollen Sachen? Ich arbeitete in Texas in Kriegsgefangenschaft in meinem Beruf (als Friseur) und hatte immer etwas Geld, da ich nicht rauchte und keinen Alkohol trank. So kaufte ich immer wieder etwas von diesen Dingen in unserer Kantine. Nun besorgte ich mir die Dosen und füllte sie nach und nach auf. Bei den Seesack-Kontrollen - als wir von Amerika nach England kamen - habe ich immer eine Packung Zigaretten oben auf den Sack gelegt und den englischen Soldaten gesagt: „This is for you“, und so habe ich meine Sachen durchgebracht. Meine Mutter war immer eine Geschäftsfrau und die wusste, wie wertvoll diese Dinge für uns waren. Sie nahm ihre Küchenwaage machte kleine Tüten und packte immer 100 Gramm Kaffee, Tee oder Kakao hinein. Nun brauchte sie bei den Bauern nicht mehr zu betteln, sie hatte etwas Wertvolles anzubieten, auch die Zigaretten waren ein gutes Tauschobjekt. Mein Vater und mein Bruder waren starke Raucher und sie erhielten von Mutter je 20 Zigaretten und damit war Schluss. Mutter hatte einen Schrank der verschließbar war und den Schlüssel dazu trug sie immer bei sich. Als ich mich 1947 beim Arbeitsamt bemühte, einen Arbeitsplatz zu bekommen, ging das ganz schnell. In meinem Beruf als Friseur bekam ich damals 30 Mark die Woche, 28,50 war der Tarif-lohn für diese lange Arbeitszeit von früh um acht bis abends um 19:00 Uhr, meistens wurde es noch später. Die Mittagspause war 1 Stunde und ich fuhr dann von Erbach nach Michelstadt zum Mittagessen mit dem Fahrrad. (Ich arbeite bei Friseur Abbé in Erbach) Am 8. September 1951 haben wir geheiratet. Anneliese hatte das Schneiderhandwerk gelernt und half mit, dass wir etwas mehr Geld hatten. Es waren viele Stunden an denen sie sich an der Nähmaschine abgerackert hat. So konnte es nicht weitergehen. Wir hatten eine kleine Wohnung in der Jahnstraße 35 in Michelstadt, bestehend aus einer kleinen Küche, wo Anneliese auch ihre Nähmaschine stehen hatte. Wir hatten noch ein Wohnzimmer, in dem wir schliefen. Das Wasser mussten wir aus dem Keller holen und auch das verbrauchte Wasser mussten wir wieder nach unten bringen. (Anneliese berichtete, dass sie das Schmutzwasser oft zum Fenster hinaus in den Garten kippte, wobei sie aufpassen musste, dass sie niemand damit traf) 1953 am 27. Mai wurde unser Sohn Wolfgang geboren in unserem Wohnzimmer. Es war eine Freude, dass wir ihn hatten und nun eine richtige Familie waren. Mittags konnte ich nicht schnell genug nachhause kommen, um ihn zu sehen und auf den Arm zu nehmen. Die Omas und Opas waren sehr glücklich darüber. Meine finanzielle Verantwortung für meine Familie war jetzt noch größer. Ich wollte mich mit dem geringen Verdienst nicht mehr abfinden. Es gab nur eine Möglichkeit, nämlich meinen Beruf zu wechseln und in die Industrie zu gehen. Der Vater im Himmel hat mir auch hier den Weg gezeigt. Bei der Firma Röhm in Darmstadt bekam ich die Zusage, mich vorzustellen und meinen Lebenslauf mitzubringen. Meinen Beruf aufzugeben, das war für mich nicht leicht, aber ich wusste das ich so für meine Familie so besser sorgen konnte. Die Firma gab mir die Zusage, dass ich am 13. Dezember 1954 mit meiner Arbeit beginnen konnte. Nun fuhr ich ein Jahr lang mit der Bahn nach Darmstadt. Unser Wunsch war es, in Darmstadt eine Wohnung zu bekommen. Dieser Wunsch ging bald in Erfüllung und wir bekamen eine Wohnung in der Neckarstraße 26. Sie bestand aus Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche und Bad im zweiten Stock rechts. (Einzug 20. Dezember 1955) 1958 am 5. Juni wurde hier unsere Tochter Brigitte geboren. Unsere Freude war sehr groß, nun hatten wir ein Pärchen und außerdem eine Wohnung wo wir kein Wasser mehr aus dem Keller holen mussten. Wir hatten auch schnell Freundschaft geschlossen mit der Familie Brandl, die uns gegenüber wohnte und zwei Buben hatte. Herr Brandl war Stadt-Polizist. Zur Kirche hatten mir auch nicht weit. Sie war in der Ludwigstraße 17. Es war für uns eine glückliche Zeit. In der Firma kam ich gut zurecht Ich hatte einen guten Lohn. (Anmerkung: Vater berichtete, dass die Arbeit in der Plexiglas-Herstellung und -Verarbeitung durch die große Wärme z.B. im Biegeraum und das Heben der schweren Platten körperlich sehr belastend waren. Oft beklagte er den Umgangston im Betrieb und schimpfte über den Betriebsleiter Herrn Simon ? Später bewarb er sich auf eine interne Arbeitsplatzausschreibung und konnte mit Unterstützung seines Bruders Hans, der ebenfalls bei Röhm&Haas, allerdings als Chemiker in der Ölverbesserung „Viscoplex“, arbeitete, in den Verwaltungsbereich an die Pforten versetzt werden. Dort arbeitete er aufgrund seiner Fähigkeit, mit Menschen gut umzugehen, bis zum Ruhestand 1985 an der Bachgang-Pforte, zuweilen an Samstagen auch an der Hauptpforte, wo ich ihn mit dem Fahrrad gelegentlich besucht habe. Aus der Zeit an der Pforte ist mir die Geschichte mit dem Kollegen Adam und der Ratte, die ihm ins Hosenbein hinaufgeklettert war und dort eigenhändig zu Tode gequetscht wurde, in Erinnerung. Vater hatte auch zu allen Abteilungen beste Beziehungen, sodass er jederzeit Plexiglas oder anderes Material für häusliche Bastelarbeiten besorgen konnte. So fand er hier auch fachmännische Unterstützung in Schreinerei und Metallbau, um seinem Hobby, der Waffen-Sammelleidenschaft und der Restaurierung antiker Stücke nachgehen zu können. Gute Beziehungen gab es auch zum Malermeister Meixner, der Vater einige seiner Ölgemälde vermachte. Schließlich hatte Vater auf mein Drängen hin sich die alten glattgefahrenen Basalt-Pflastersteine im Werkhof zur Seite legen lassen, die bei der Erneuerung der Straßen im Werksgelände herausgerissen und durch weniger haltbares Verbundpflaster ersetzt wurden. Nachdem wir unser Haus im Flachsbachweg 1986 gebaut hatten, konnten wir diese hochwertigen Pflastersteine zum Bau unserer Terrassen, Stützmauern, Teichmauer und der gesamten Hofeinfahrt verwenden. Zum Transport waren wegen des großen Gewichts der Steine mehrere Lastwagenfahrten erforderlich. So kamen wir gegen eine relativ geringe Gebühr zu einem äußerst haltbaren und edlen Bodenbelag. Zusätzlich konnte Vater noch einen alten Mitarbeiter vom Bauhof, Herrn Wesp aus Worfelden ?, aktivieren, der schon vor dem Krieg als Pflasterer gearbeitet hatte und trotz Kriegsverletzung diese Arbeit nun bei uns perfekt erledigen konnte. Dazu mussten Vater und ich allerdings als Zuarbeiter bzw. Handlanger in meinem Sommer-Urlaub 1987 mit anpacken. Bis heute hat sich kein Stein gesenkt oder verschoben!) Ergänzungen zum Bericht meines Vaters aus der Trauerrede von Bischof Haghsheno am 28. Dezember 2010: Rudolf Pilz wurde am 02. September 1922 in Bensen, im Sudetenland, dem deutschsprachigen Teil der Tschechoslowakei geboren. Heute ist Bensen eine Kleinstadt mit etwa 4000 Einwohnern im Norden der tschechischen Republik. Sein Vater heißt Emil Pilz und betreibt einen eigenen Friseurbetrieb. Seine Mutter, Berta Pilz geb. Fiedler, hilft ebenfalls im familieneigenen Betrieb mit. Er hat einen jüngeren Bruder, Hans Pilz. Beide haben eine innige Beziehung zueinander und verstehen sich von Beginn an sehr gut miteinander. Sein Großvater Raimund Pilz arbeitet als Fassbinder. Er ist es, der in ihm die Liebe für Holz und das Schnitzen von Holz weckt. Von seiner Mutter, Berta Pilz, stammt hauptsächlich der religiöse Einfluss auf ihn. Sie vermittelt ihm den Glauben an Gott und an Jesus Christus und lehrt ihn zu beten. Er selber dient in seiner Jugend als Ministrant in der Kirche seiner Heimatstadt. Als Zwölf-jähriger begibt es sich auf einen Schüleraustausch in einer tschechischer Stadt für ein Jahr. In dieser Zeit erlernt er die Tschechische Sprache. Ein Nachbar bringt ihn mit der Jägerei in Kontakt. Zu dieser Zeit entwickelt er eine besondere Beziehung zu Wald, Natur, Jagd, Waffen und Messern. Diese Liebe für die Natur und die besondere Zuneigung für die Utensilien der Jagd begleiten ihn sein ganzes Leben. Er verbringt viel freie Zeit und einen großen Teil der Ferien bei den Großeltern Fiedler in Arnsdorf, im Elbsandsteingebirge gelegen und entwickelt ein inniges Verhältnis zu ihnen bis zu deren Lebensende. Im Betrieb seines Vaters erlernt Rudolf Pilz das Friseurhandwerk. Es ist natürlich Wunsch des Vaters, dass er eines Tages diesen Betrieb fortführen kann. Als 17-jähriger wird er direkt nach Abschluss der Lehre zum Arbeitsdienst verpflichtet, eine Vorbereitung auf den folgenden Militärdienst als Soldat. 1940 mit 18 Jahren wird er zum Kriegsdienst eingezogen. Sein Haupteinsatzgebiet ist in Nordafrika im Regiment von Rommel. Dort gerät er später in englische Kriegsgefangenschaft. Er wird in das Kriegsgefangenenlager nach Texas, USA verlegt und muss dort lange Zeit mühsame Arbeit in großer Hitze auf den Baumwoll- und Erdnuss-Plantagen verrichten. In dieser Zeit entwickelt er großes Mitgefühl für die immer noch unter sklavenähnlichen Bedingungen arbeitende schwarze Bevölkerung; etwas was er schon damals mit den christlichen Werten, die er gelernt hatte, nicht in Einklang bringen konnte. Dennoch hat er in dieser schwierigen Zeit der Gefangenschaft eine vergleichsweise gute Behandlung und ausreichende Versorgung mit Lebensmitteln erfahren. Im Jahr 1947 kehrt er gesund und wohlbehalten als 24-jähriger nach Deutschland zurück. Er ist allerdings heimatlos. Seine Eltern und Großeltern waren am Ende des Kriegs aus dem Sudetenland vertrieben worden. Sie waren in den Odenwald nach Michelstadt umgesiedelt worden. In dieser Zeit hat er schwere Bedingungen als Heimatvertriebener erlebt. Zum Beispiel musste er die Erfahrung machen, Kartoffeln einzeln bei den Bauern erbetteln zu müssen, um für das Essen der Familie beizutragen. Auch diese Erfahrungen haben ihn sein ganzes Leben sehr geprägt. Sie haben ihm große Demut und großes Mitgefühl für alle Menschen, denen er in seinem Leben begegnet, vermittelt. Als gelernter Friseur fand er in dieser Zeit einen nur einen nur sehr schlecht bezahlten Arbeitsplatz. Der Tag seiner Ankunft in Michelstadt war auch in anderer Hinsicht ein ganz besonderer Tag in seinem Leben. An diesem Tag lernt er seine spätere Ehefrau Anneliese Büchler kennen. Seine Eltern sind in zwei Zimmern im Haus des Kartoffelhändlers Wind untergekommen, in dessen Haushalt Anneliese in Stellung war. In besonderer Erinnerung bleibt ihm das erste Mittagessen, das Anneliese für ihn an diesem Tag kocht. Es waren Bratkartoffeln. Im Rückblick muss man wohl von Liebe auf den ersten Blick sprechen. Das herzliche und liebevolle Wesen von Anneliese haben ihn von Beginn an fasziniert und beeindruckt. Die Bratkartoffeln tun sicher Ihr Übriges dazu. Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen folgt jedoch für damalige Verhältnisse eine lange Zeit des Abwägens. Schließlich fassen beide Mut und verloben sich vor 62 Jahren an Weihnachten 1949. Etwa zwei Jahre später am 08. September 1951 heiraten Rudolf und Anneliese Büchler. Sie beziehen ihre erste Wohnung in Michelstadt. Am 27. Mai 1953 kommt das erste Kind, Wolfgang auf die Welt. In dieser Zeit muss er seinen Beruf als Friseur schweren Herzens wegen schlechter Bezahlung aufgeben. 1954 findet er eine besser bezahlte Arbeit bei Röhm in Darmstadt in der Plexiglas-Herstellung. Einige Zeit später im Dezember 1955 siedelt die Familie von Michelstadt nach Darmstadt in die Neckarstraße um. Als wichtigsten Besitz nehmen sie Holz und Kohlen mit. Ein wichtiger Meilenstein in seinem Leben ist das Jahr 1956. (Taufe am Sonntagmorgen vor der Sonntagschule am 19. August 1956, Müllersteich hinter der Ziegelhütte von Missionar Ray Coombs, konfirmiert von Gemeindepräsident Walter Rohloff. Dokumentiert von Gemeindesekretär Petzinger). (gemeinsam mit Josephine Keller?) "wir gingen jeden Sonntag in die Gemeinde die sich damals in der Ludwigstraße 17 traf. Der Gemeinde Präsident war Bruder Werner Baumgart. Er sprach mit mir über mein Problem und gab mir den Rat es doch einmal zu versuchen den Zehnten zu bezahlen. Ich stellte fest, als ich den Zehnten dem Herrn gab, dass es uns an nichts mangelte. Die Missionare hatten großen Anteil daran. Durch ihre Belehrungen wuchs mein Zeugnis und ich hatte den Wunsch mich taufen zu lassen." Nach eingehender Prüfung schließt er sich der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage an und findet darin zu jener geistigen Heimat des christlichen Glaubens zurück, dessen Fundament durch die Belehrung in seinem Elternhaus gelegt worden war. Sein ganzes Leben lang entwickelt er ein unerschütterliches Vertrauen in Gott und schafft es, alles im Leben mit großem Dank anzunehmen. Am 05. Juni 1958 wird Tochter Brigitte in Darmstadt geboren. 1961 wird Rudolf Pilz auf einen besseren Arbeitsplatz in der Firma Röhm an die Pforte versetzt. Er verbleibt in dieser Position für 25 Jahre bis zu seiner Pensionierung am 04. September 1985. In der nun gewonnen Freizeit kann er vermehrt seinen alten Neigungen wieder nachgehen: Er sammelt und restauriert mit großer Leidenschaft Waffen, Messer und Uhren. Er schnitzt Krippenfiguren für die ganze Familie und stöbert bis ins hohe Alter auf Flohmärkten nach verborgenen Schätzen. Er fühlt eine starke Bindung an seine zweite Heimatstadt und kehrt immer wieder sehr gerne nach Michelstadt zu Besuchen bei seiner Mutter, seiner Tochter und den Enkelkindern zurück. Die letzten 25 Jahre seines Lebens lebt er im Flachsbachweg in Bessungen im Haus von seinem Sohn Wolfgang und dessen Frau Karin. In all diesen Jahren pflegt er sehr engen Kontakt mit seinen Enkelkindern und Urenkeln, mit denen ihn bis zu seiner letzen Stunde ein inniges Verhältnis verbindet. Am 08. September 2011 durfte er noch ein ganz besonderes Jubiläum feiern – die Diamantene Hochzeit (60 Jahre) zum letzten Mal im Kreis der großen Familie. Außerdem nimmt er noch an der Familienfeier vor wenigen Wochen zur Begrüßung des 7. Urenkelkindes in Elmshorn teil. Am 21. Dezember 2011 verabschiedet sich Rudolf Pilz im Alter von 89 Jahren aus voller Gesundheit ohne Leiden oder Schmerzen aus diesem Leben. Nun, das hier Beschriebene kann natürlich nur einen kleinen Einblick in ein 89 Jahre währendes erfülltes Leben geben, und es kann niemals einen Anspruch auf Vollständigkeit oder die umfassende Wiedergabe aller persönlichen Errungenschaften erheben. Dennoch ist es ein Versuch, durch das Betrachten der Erfahrungen und der persönlichen Lebenshintergründe von Rudolf Pilz ein besseres Verständnis von seiner Persönlichkeit und seinem Charakter zu gewinnen. Aber noch viel mehr als die zuvor genannten Meilensteine, sind es die persönlichen Erfahrungen, Erlebnisse und Beobachtungen, die seine Familie und wir als seine Freunde und Weggefährten mit ihm gemacht haben. Sie vermitteln uns viel mehr, was ihn in diesem Leben ausgezeichnet hat, was ihn so liebenswürdig macht: Eine besondere Prägung hat Rudolf Pilz zum Beispiel durch seinen zweiten Beruf als Pförtner erfahren. Er hat hierdurch die Gabe entwickelt, gerne auf Menschen jeden Alters zuzugehen, mit ihnen Kontakt aufzunehmen und hat hierdurch viele persönliche Freundschaften geschlossen. Auch ein hervorragendes Namensgedächtnis zeichnete ihn aus, was durch die zum Teil kurzen Begegnungen mit vielen Menschen in seinem Beruf einfach notwendig war, aber keinesfalls selbstverständlich. Die Menschen mit Namen anzusprechen, war ihm aber ein Bedürfnis und ist Ausdruck seiner besonderen Wertschätzung, die er allen Menschen immer entgegengebracht hat. Ein großartiges Vorbild ist Rudolf Pilz für mich, und ich glaube auch für viele andere, durch seine besondere Zuneigung zur Jugend und zu Kindern, vor allem auch in unserer Gemeinde. Aus Sicht der Kinder wurde diese Zuneigung oft durch eine süße Überraschung, die plötzlich in der Tasche zum Vorschein kam, wahrgenommen, aber wir Erwachsenen, die ihn dabei beobachten durften, haben immer intuitiv spüren können, welch tief empfundene Liebe und Dankbarkeit für die Kinder und die Jugend Rudolf Pilz in seinem Herzen trug. Von manchen inzwischen erwachsen gewordenen Kindern der Gemeinde wird er gelegentlich auch liebevoll als Opa der Gemeinde bezeichnet. Diese Liebe und Dankbarkeit war aber auch ein ganz intensiver Bestandteil seiner intensiven Beziehung mit seinen Enkelkindern und Urenkeln. Einige nennen ihn Opapa, um nicht in Verwechselung mit Opa Wolfgang zu geraten. Seine Fürsorge und die gemeinsame Zeit mit den Enkeln und Urenkeln halten ihn selbst bis ins hohe Alter vital und beweglich. Seine Liebe zur Natur habe ich bereits angesprochen. Er liebte die Natur, achtete besonders die Tierwelt, konnte keiner Fliege etwas zu leide tun und schöne Momente hat er gerne im Foto festgehalten. Ein Ausdruck seiner Dankbarkeit und seines Respekts für die Schöpfung Gottes und seinen Sinn Erinnerungen aufzubewahren. Eine andere Liebe, die er pflegte, und das hat von Beginn an eine ganz besondere Sympathie bei mir geweckt, auch bei vielen anderen, war der Fußball. Mit großer Begeisterung schaute er sich die Spiele am liebsten mit Christian, dem Ehemann seiner Enkeltochter an. Und gelegentlich konnte ich am Sonntag – natürlich nur zwischen den Versammlungen – beobachten, wie er einen leidenschaftlichen Austausch zum Abschneiden der Darmstädter Lilien beim vergangenen Spiel pflegte. Es war sein ausdrücklicher Wunsch, dass die Trauerandacht anlässlich seines Todes hier im Gemeindehaus stattfinden sollte. Dies ist ein Zeichen seiner besonderen Wertschätzung für seine Gemeinde und dieses Gemeindehaus, zu dem er schon seit den ersten Tagen ein sehr persönliches Verhältnis hatte, weil er zu jener Generation gehörte, die dieses Haus buchstäblich mit aufgebaut haben. Sein Vorbild im Umgang mit diesem Haus und seine Liebe für seine Gemeinde sind ein bedeutender Teil jenes Vermächtnisses der Generation an Brüder und Schwestern, die das geistige Fundament dieser Gemeinde gelegt haben und die ein hohes Maß persönlicher, auch materieller Opfer erbringen mussten, um dieses Gemeindehaus physisch aufzubauen. Einer der größten Schätze, neben seiner persönlichen Beziehung zum Herrn Jesus Christus, ist seine liebe Familie: Sie nimmt einen hohen Stellenwert in seinem Leben ein. Er zeigt dies, indem er seiner Familie das Vermächtnis einer tiefen Dankbarkeit, selbst für die kleinen Dinge des täglichen Lebens vermittelt, indem er seine Zuneigung durch kleine persönliche Geschenke, die er mit viel Liebe auswählt, zeigt und indem er die Familie durch seine humorvolle Art und seine Geschichten immer wieder zum Schmunzeln und Lachen bringt. Als besonderen Schatz hinterlässt er seiner Nachkommenschaft eine selbstgeschriebene Lebensgeschichte und darüber hinaus viele handschriftliche Kommentare am Zeitungsrand oder auf kleinen Notiz-Zetteln, auf denen er seine Gedanken hierdurch mitteilt. Seinen Lebenslauf beendet er in dem unerschütterlichen Glauben an eine Rückkehr zu dem Gott, der ihn erschaffen hat und an ein Fortbestehen der Familienbande in der Ewigen Welt. Weitere Erlebnisse, die Rudolf Pilz bei verschiedenen Gelegenheiten berichtet hatte: Ministrantendienst: Messwein getrunken und mit Wasser verdünnt, beim Laichzug mit dem Kruzifix (Bruder Hans Pilz) viel zu schnell vorausgegangen In der Schule:
Bei der Bestrafung mit dem Rohrstock hatte er trotz Verwarnung immer wieder die Hände zurückgezogen, die Lehrerin ließ daraufhin seine Hände von einem starken Mitschüler am Tisch fixieren. Als sie nun zum nächsten Schlag ausholte, tat Rudolf so, als wolle er die Hände wieder wegziehen - der Schüler verkrampfte sich also regelrecht, um den angeblichen Zug nach hinten zu neutralisieren, dann schob Rudolf seine Hände aber plötzlich nach vorne, sodass die Härte des Schlages den Mitschüler mit großer Gewalt am Unterarm traf.